DLR forscht für weniger Lärm am Frankfurter Airport

Start eines Airbus A320 (© DLR)
Start eines Airbus A320 (© DLR)

Fluglärm über bewohntem Gebiet vermindern – Das ist die Motivation zweier Forschungsvorhaben, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) heute gemeinsam mit dem Umwelt- und Nachbarschaftshaus (UNH), einer Tochter des Landes Hessen und Teil des Forums Flughafen und Region (FFR), in Kelsterbach vorgestellt hat. Im Auftrag des UNH wird das DLR voraussichtlich im Spätsommer 2016 ein Piloten-Assistenzsystem für ein lärmoptimiertes Anflugverfahren mit dem Forschungsflugzeug A320 ATRA im Regelbetrieb des Flughafens Frankfurt testen. Außerdem untersucht das DLR in einem weiteren Forschungsprojekt, wie sich der segmentierte Anflug zur Lärmentlastung von dichtbesiedelten Siedlungsschwerpunkten von den verkehrsarmen Randzeiten auf weitere Tageszeiten mit mehr Flugverkehr übertragen lässt. Auch dieses Projekt wird vom UNH gefördert.

Fahrwerk und Klappen lärmschonend einsetzen

Oft ist es für Piloten schwierig, während der Landung, der allgemein arbeitsintensivsten Phase eines Fluges, unter Berücksichtigung der vorgegeben Geschwindigkeiten die optimalen Zeitpunkte zum Ausfahren der Klappen und des Fahrwerks so zu wählen, dass ein Teil der Landephase komplett im besonders leisen und treibstoffsparenden Leerlauf stattfinden kann. Dafür hat das DLR-Institut für Flugsystemtechnik in Braunschweig ein Assistenzsystem entwickelt, das den Piloten über ein Display im Cockpit anzeigt, an exakt welchen Punkten sie welche Handlung durchführen müssen. Das System wurde bisher schon erfolgreich im Simulator und bei ersten Forschungsflügen ohne anderen umgebenden Flugverkehr getestet. Nun gilt es, den Realitätstest im Hochbetrieb des Frankfurter Flughafens zu bestehen.

Pilotenassistenzsystem (© DLR)
Pilotenassistenzsystem (© DLR)

Die Wetterlage, schlechte Sichtbedingungen, das Gewicht eines Flugzeugs oder auch die Vorgaben der Flugsicherung beeinflussen jede Landung auf ihre Weise. Die DLR-Forscher wollen erfahren, wie sich diese schwankenden Einflüsse auf das neue Assistenzsystem auswirken und wie Berufspiloten auf das System reagieren. Deshalb werden Piloten verschiedener Airlines nacheinander im Cockpit des ATRA neben einem DLR-Testpiloten Platz nehmen und die Anflüge auf Frankfurt fliegen. Die Testflüge sind an drei aufeinanderfolgenden Tagen geplant und werden zuvor mit der Deutschen Flugsicherung (DFS) und dem Flughafen Frankfurt koordiniert. Vor den eigentlichen Flugtests werden umfassende Versuche im DLR-Forschungssimulator AVES (Air Vehicle Simulator) durchgeführt. „Frankfurt mit seinem hohen Flugverkehrsaufkommen ist eine ideale Bewährungsprobe für unser neues Assistenzsystem“, sagt der Projektleiter Dr. Fethi Abdelmoula. „Bei den Tests können wir über die bestehenden Lärmmesstellen im Umfeld des Flughafens sehr gut bestimmen, wie deutlich die Lärmminderung mittels der optimierten Anflugverfahren ausfällt.“

Siedlungsschwerpunkte häufiger umfliegen

Im zweiten heute vorgestellten DLR-Forschungsprojekt geht es um die Ausweitung lärmentlastender Anflugrouten. Bereits heute gibt es die Möglichkeit, den Flugverkehr in den verkehrsarmen Randzeiten um dicht besiedelte Siedlungsschwerpunkte herum zu lenken. „Bei diesen Anflügen drehen die Piloten erst vergleichsweise spät in den direkten Anflug auf die Landebahn ein“, erklärt Dr. Bernd Korn vom DLR-Institut für Flugführung. „Das ermöglicht davor eine größere Flexibilität der Routenführung und damit eine Lärmentlastung dichtbesiedelter Gebiete.“

Prinzipskizze segmentierter Anflug (© DLR)
Prinzipskizze segmentierter Anflug (© DLR)

In den Hochverkehrszeiten ist dieses Anflugverfahren in Frankfurt noch nicht einsetzbar. Denn nach derzeitigen internationalen Regularien dürfen die beiden Parallelbahnen des Flughafens nur mit klassischen ILS-Anflugverfahren unabhängig betrieben werden. Das allerdings ist zwingend notwendig, um ausreichend vielen Flugzeugen eine Landung in den verkehrsreichen Zeiten zu ermöglichen.

Das DLR-Institut für Flugführung hat in mehrjähriger Forschungsarbeit ein Sicherheitskonzept entwickelt, das die lärmentlastende Routenführung auch im nötigen Parallelbahnbetrieb erlaubt und sich dabei auf moderne Navigationstechnologien des Flugzeugs stützt. „Derzeit stimmen wir das Konzept mit Boeing in Seattle ab“, sagt Korn, der im Braunschweiger DLR-Institut die Abteilung Pilotenassistenz leitet. „Bisher haben wir da nur positive Rückmeldungen bekommen“. Im nächsten Schritt werden weitere Versuche im Validierungszentrum Luftverkehr des DLR in Braunschweig durchgeführt. Anschließend ist geplant, das Konzept der unabhängig segmentierten Parallelanflugverfahren gemeinsam mit Boeing bei der international zuständigen Luftfahrtbehörde ICAO (International Civil Aviation Organization) vorzustellen und es als akzeptierten Standard aufnehmen zu lassen.

Umwelthaus fördert Forschungsprojekte mit 950.000 Euro

Das Umwelt- und Nachbarschaftshaus fördert beide DLR–Projekte mit insgesamt 950.000 Euro, die Projekte werden ein bzw. drei Jahre dauern. „Ich freue mich sehr, dass wir zwei vielversprechende Projekte finanziell fördern können, die insbesondere für die Rhein-Main-Region eine Verbesserung der Lärmsituation bewirken könnten“, so Günter Lanz, Geschäftsführer des UNH. „Das Selbstverständnis unserer Arbeit ist es, neben der Aufbereitung von Fakten und der Durchführung von Monitorings, auch durch die Beauftragung von wissenschaftlichen Studien und Forschungsprojekten, inhaltliche und fachliche Lücken zu schließen. Somit werden neue Impulse in der Debatte gesichert und auch innovative Ideen bekommen eine Chance.“ Die Ergebnisse der Projekte werden auf der Internetseite des Umwelthauses für jedermann verständlich aufbereitet. Beide Forschungsprojekte werden fachlich von der AG Perspektive (einer Arbeitsgruppe des FFR Expertengremiums Aktiver Schallschutz) begleitet. Vertreter der Luftverkehrswirtschaft arbeiten gemeinsam mit Behörden und Vertretern von Kommunen, des DLR und der Fluglärmkommission an Maßnahmen des aktiven Schallschutzes, die eine mittel- bis langfristige Realisierungsperspektive besitzen. „Die beiden neuen Forschungsprojekte ergänzen hervorragend die bisherigen Arbeiten des FFR“, erklärt Stefan Mauel, von der Fraport AG und Leiter der FFR AG Perspektive.

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